
Traumstrände, Vollmondpartys, Sextourismus, Tempel – interessiert uns alles weniger, aber Radfahren kann man hier wohl auch ganz gut.
Es gibt ein paar gute Gründe, Berlin zu lieben. Der Winter gehört nicht dazu. Deshalb bin ich seit vorgestern in Thailand, genauer im Norden, in Chiang Mai. Dort sollen ganz passable Bedingungen zum Radfahren herrschen, so stand es jedenfalls im Tour-Forum. 20 bis 30 Grad, viel Natur mit brauchbaren Straßen und ein paar Bergen. Dazu thailändisches Essen und günstige Massagen – Tom und ich fanden das ganz überzeugend und haben Flüge gebucht.
Während sich am Silvesterabend der Feinstaubnebel über Berlin legt, sitzen wir in der Boeing 787 hinter brüllenden Babies und gucken uns das Feuerwerk über Warschau an, bzw. das, was durch die Wolken davon zu erkennen ist. Zwischenziel: Doha. Dort haben wir 14 Stunden Aufenthalt, Quatar Airlines zahlt uns dankenswerterweise ein Hotel, doch zunächst scheint es gar nicht so sicher, dass wir den Flughafen überhaupt verlassen dürfen. Dem Beamten am Ausreiseschalter gefällt Toms Reisepass nicht, weil der ein bisschen ramponiert ist. “What is this?”, fragt er fünfmal, während er mit stumpfem Blick auf das beschädigte Papier stiert. Die Erklärungsversuche will er aber gar nicht hören. Stattdessen alarmiert er einen Kollegen, der beide unsere Pässe an sich nimmt, uns ein paar Meter weiter wegführt und stehen lässt.

Der Abschied von Tegel fällt nicht so schrecklich schwer.
Ich bin müde, hab Hunger und folglich ziemlich schlechte Laune. Ein Verhör zu vergangener Reisetätigkeit in Staaten, die vom WM-Ausrichter 2022 bis heute nicht anerkannt werden, dürfte jetzt für alle Beteiligten nicht so angenehm werden. So weit kommt es dann aber zum Glück doch nicht. Der neue Beamte stolziert in seiner schmucken schwarzen Bundfaltenuniform ein paar Mal vor den Ausreiseschaltern auf und ab, plauscht mit Kollegen, wendet unsere Pässe hin und her, macht aber keine Anstalten irgendwas zu prüfen. Schließlich bekommen wir sie wieder und lassen uns schnellstmöglich zum Westin-Hotel kutschieren. Auf dem Weg durch die gerade erwachende Stadt sehe ich eine einzige Frau, ansonsten nur Männer aus weiter entfernten Teilen von Asien. Im Hotel ist es nicht besser. Der freundliche Rezeptionist weist uns auf die Happy Hour-Angebote in der Bar hin. Nee danke, nach den letzten bacchanalen Wochen in Berlin kommt uns der Aufenthalt im Abstinenzlerstaat eigentlich ganz Recht. Das Frühstück verpassen wir auch, stattdessen ein paar Stunden schlafen und ab in die Sauna, natürlich Männer und Frauen getrennt.
Zurück am Flughafen gibt’s zum Glück keinen Ärger, der Flug läuft reibungslos, diesmal lassen wir uns nichtmal mehr Gin Tonic ausschenken, denn ab jetzt ist das Programm klar: in Thailand wird gefitfuckt, keine Diskussion. Ob das klappt? Zuletzt war ich im Herbst in Kroatien ernsthaft Radfahren, danach beschränkte sich körperliche Ertüchtigung auf halbstündige Ausflüge auf die freie Rolle und diverse Sporttechno-Nächte. Mal sehen, was von der Form noch übrig ist. Aber bitte noch nicht heute.
Um kurz vor 8 Uhr morgens klettern wir vor unserem Quartier aus dem Taxi. Vor 40 Stunden sind wir noch durchs Berghain gesprungen. Das fühlt sich jetzt sehr viel weiter weg an als die 8000 Kilometer zwischen Berlin und Chiang Mai. Zum ernsthaft Radfahren sind wir zu übernächtigt, aber Rumlaufen geht und so brechen wir erstmal zu einem kleinen Gewaltmarsch auf, um zu gucken, wo wir hier eigentlich gelandet sind.
Auf jeden Fall in einer Stadt, in der Fußgänger nicht wirklich vorgesehen sind. Bürgersteige sind holprig, schmal oder gar nicht erst vorhanden, und wenn, werden sie auch gerne von einem der Millionen Mopeds als Ausweichstrecke genutzt. Ampeln gibt’s so gut wie keine. Zu allem Überfluss herrscht auch noch Linksverkehr. Das kann ja heiter werden. Zum Glück scheinen die Autofahrer nicht besonders mordlustig zu sein, das macht Hoffnung für morgen. Da versuchen wir dann mal, uns mit den Rädern aus der Stadt zu hangeln. Tom hat einen Träck gebaut, der angeblich 3500 Höhenmeter auf 80 Kilometer versammelt und ich bin zu müde, um ernsthaft zu protestieren. Er wird schon sehen, was er davon hat.